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Datum : 12.07.1995
Nr.   : 431
Thema : Gauck / Gysi


Gauck-Behörde leistet politischen Offenbarungseid

Die Frankfurter Rundschau berichtet in ihrer heutigen Ausgabe über den Schriftsatz, den die Anwälte der GauckBehörde an das Verwaltungsgericht Berlin im Rechtsstreit Gregor Gysis gegen das Gauck-Gutachten eingereicht haben. Ergänzend zum FR-Bericht teilt der Pressesprecher der PDS im Bundestag, Jürgen Reents, dazu mit:

Die Gauck-Behörde hat über ihre Anwälte einen Schriftsatz an das Berliner Verwaltungsgericht übergeben, mit dem sie dem Antrag von Gregor Gysi auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung gegen das von ihr erstellte Gutachten entgegentritt. Ihrer Ansicht nach sei dieser Antrag unzulässig, weil das Gutachten nur Teil der vom Immunitätsausschuß eingeleiteten Überprüfung sei. Erst wenn der Ausschuß seine Bewertung abgeschlossen habe, sei ein eventuelles Rechtsschutzbedürfnis für den Überprüften gegeben, dann allerdings nicht vor dem Verwaltungsgericht, sondern ausschließlich vor dem Bundesverfassungsgericht. Gregor Gysi hat indes keinen Zweifel daran gelassen, daß er auch einen dem Gutachten folgenden Abschlußbericht des Immunitätsausschusses rechtlich anfechten wird, falls das Verwaltungsgericht und das Bundesverfassungsgericht eine Beeinträchtigung seiner Rechte nicht bereits durch das laufende Verfahren als gegeben ansehen.

Die Gauck-Behörde ignoriert jedoch die Tatsache, daß Mitglieder des Bundestages, des Immunitätsausschusses und Teile der Medien dieses Gutachten als »Schlußbericht« und »Beleg« für eine inoffizielle Zusammenarbeit zwischen Gregor Gysi und dem MfS werten und handhaben, seine Mandatsniederlegung und teilweise sogar die Einleitung eines Strafverfahrens gegen ihn fordern. Entweder ist also das Gutachten von entscheidendem Gewicht, dann muß auch eine Klage dagegen möglich sein. Oder es liefert bis zum Abschluß des Überprüfungsverfahrens keinen eigenständigen Bewertungsmaßstab, dann sind die entsprechenden Einlassungen und Forderungen zumindest von Ausschußmitgliedern eine nicht hinnehmbare Verfahrensverletzung. Auch der öffentliche Rufmord würde dann ohne jegliche Grundlage erfolgen.

Diesen Widerspruch erkennt auch die Gauck-Behörde, weist aber darauf hin, daß die möglicherweise eingetretenen Rechtsverletzungen auch »durch eine Unterlassungsanordnung nicht mehr rückgängig gemacht werden« könnten. Sie lasten dies indes Gregor Gysi selbst an, obwohl bekannt ist, daß er mit seinen Stellungnahmen lediglich auf Presseveröffentlichungen reagiert hat (u.a. SPIEGEL) und die Veröffentlichung des gesamten Gutachtens eindeutig ein rechtswidriger Beschluß des Immunitätsausschusses war. Warum aber diese Veröffentlichung, wenn dem Gutachten vor Abschluß der Überprüfung gar kein besonderes Gewicht zukommen soll?

Bemerkenswert ist der Schriftsatz der Gauck-Anwälte jedoch vor allem in einem Punkt: Ganz im Gegensatz zu den öffentlichen Begleitkommentaren zieht sich die Gauck-Behörde nun darauf zurück, daß in dem Gutachten gar keine Tatsachen behauptet, sondern lediglich Werturteile abgegeben würden - und beruft sich dabei auf die Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG! Dies ist angesichts der Aufgabenstellung dieser Behörde ein politischer Offenbarungseid jedenfalls ein Eingeständnis, das der von Gregor Gysi erhobenen Kritik in vollem Umfang Recht gibt.

Die Gauck-Behörde schätzt ihr eigenes Gutachten jetzt wörtlich so ein: Die »Wertungen und Schlußfolgerungen des Antragsgegners mögen richtig oder falsch, plausibel oder nicht nachvollziehbar begründet sein. Als gutachterliche Feststellung und Schlußfolgerung aus vorhandenem Material handelt es sich jedoch stets um Bewertungen, nicht um untersagungsfähige Tatsachenbehauptungen.« (S. 13 des Schriftsatzes)

Im einzelnen entgegnet die Gauck-Behörde

1. dem Antrag, die Behauptung zu unterlassen, Gregor Gysi sei inoffizieller Mitarbeiter der Staatssicherheit der früheren DDR gewesen:

»Der Angriff geht ... ins Leere, weil der Bundesbeauftragte dieses überhaupt nicht behauptet hat.«

2. dem Antrag, die Behauptung zu unterlassen, es habe langjährige Kontakte und eine Zusammenarbeit zwischen dem Antragsteller und der Hauptabteilung XX des MfS gegeben:

»Das ist nun in der Tat die abschließende Wertung der gutachterlichen Stellungnahme ... Eine solche abschließende Bewertung ist jedenfalls nicht als unwahre Tatsachenbehauptung angreifbar.«

3. dem Antrag, die Behauptung zu unterlassen, der Antragsteller habe als Rechtsanwalt Informationen über Mandanten und andere Personen an die Staatssicherheit der früheren DDR weitergegeben:

Es sei »eindeutig erkennbar«, daß es sich dabei »nicht um eine feststehende Tatsachenbehauptung handelt, sondern um eine sachverständige Stellungnahme und Schlußfolgerung anhand der Auswertung und Interpretation des aufgefundenen Materials.«

4. dem Antrag, die Behauptung zu unterlassen, der Antragsteller habe im Auftrage der Staatssicherheit auf Mandanten eingewirkt und als anwaltlicher Vertreter von oppositionellen Bürgern geholfen, die Interessen des MfS durchzusetzen:

Es gelte »das zu 3) gesagte.«

5. dem Antrag, die Behauptung zu unterlassen, der Antragsteller habe Zuwendungen seitens der Staatssicherheit erhalten:

Es werde »eine angebliche Behauptung gerügt, die sich in der gutachterlichen Stellungnahme nicht findet. ... Eines sagt das Gutachten nicht: es habe der Antragsteller Zuwendungen erhalten. Dies liegt nahe, der Antragsgegner läßt es aber ausdrücklich offen.«

Nach dieser Einlassung der Gauck-Behörde bleibt nur noch die Frage:

Wenn die Behauptungen über eine angebliche Stasi-Zusammenarbeit von Gregor Gysi, über Mandantenverrat usw. usw. entweder alle gar nicht erhoben oder mal nur so als »Meinung« dahingeschrieben wurden, jedenfalls keine Tatsachenbehauptungen darstellen - was ist dieses »Gutachten« dann eigentlich wert und was soll dann die ganze öffentliche Schlammschlacht mit diesem »Gutachten«?

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