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Datum : 08.11.1996
Nr.   : 1230
Thema : Stasiunterlagen


Für eine wirkliche Beförderung des Rechtsfriedens

Zur heutigen Debatte um eine Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes erklärt Uwe-Jens Heuer, rechtspolitischer Sprecher der PDS-Bundestagsgruppe

Das spezifische Problem, das den vorliegenden Novellierungsgesetzentwürfen zum Stasi-Unterlagen-Gesetz zugrunde liegt, ist nicht nur im Gesetzentwurf der PDS-Bundestagsgruppe, sondern auch im Gesetzentwurf der CDU/CSU, FDP und SPD zutreffend benannt worden. Es geht, wie es dort und auch in der Beschlußempfehlung des Innenausschusses heißt, um die Eingliederung »weniger belasteter« ehemaliger Mitarbeiter des MfS und um »die Förderung des Rechtsfriedens«.

Zu den Realitäten, die den Rechtsfrieden in diesem Zusammenhang stören, gehören eine ganze Reihe von Umständen und Versäumnissen.

Dazu gehört, was aber Aufgabe einer Novellierung des 1. SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes ist, daß wirkliche Opfer nicht nur halbherzig, sondern angemessen entschädigt werden.

Zu den Realitäten unzureichender Eingliederung und der Stärkung des Rechtsfriedens zählt, daß es zehntausende Entlassungen wegen der Tätigkeit für das MfS gab, ohne einen wirklichen Nachweis von Verstößen gegen die Grundsätze der Menschlichkeit oder der Rechtsstaatlichkeit.

Nicht zu übersehen ist, daß sozial und rechtlich ausgegrenzt wird, daß Auskünfte der Bundesbehörde á priori Schuld und Entlassung begründen und eine wirkliche Einzellfallprüfung in der Regel nicht stattfindet.

Es gibt im Stasi-Unterlagengesetz weder handhabbare Kriterien noch Verjährungsfristen.

Als eine Lösung wird im Entwurf von CDU/CSU, FDP und SPD sinngemäß formuliert: War die Tätigkeit für das MfS vor dem 1.Januar 1976 endgültig beendet, wird im Rahmen der Personalüberprüfung über eine solche Tätigkeit keine Mitteilung mehr gemacht. Immerhin wurde ja auch schon im 14. Tätigkeitsbericht des Bundesbeauftragten für den Datenschutz das Fehlen einer Regelung zur »Zugangsverjährung« gefordert, mit der Begründung, daß selbst eine Verurteilung wegen Totschlags nach 15 Jahren im Bundeszentralregister getilgt wird.

Als positiv bewerte ich auch die vorgeschlagene Ergänzung des   19 um einen Absatz 8, der festlegt, in welchen Fällen wegen Geringfügigkeit einer MfS-Mitarbeit keine Mitteilungen gemacht werden.

Allerdings sieht der Gesetzentwurf auch Verschärfungen vor: so insbesondere die Überprüfung auch von Mitarbeitern der Fraktionen und der Abgeordneten.

Notwendig ist, wie im Gesetzentwurf der PDS-Bundestagsgruppe begründet wird, insbesondere:

* die Fixierung eines Kriterienkatalogs (nach dem Vorbild des Landes Brandenburg), der eine sachgerechte Würdigung be- und entlastender Umstände der Tätigkeit von offiziellen und inoffiziellen Mitarbeitern des MfS durch den öffentlichen Arbeitgeber gestattet.

* der Verzicht auf die Regelanfrage bei der Bundesbehörde.

* die Installierung einer Beschwerdestelle beim Bundesbeauftragten für Datenschutz und die Unterstellung der Bundesbehörde unter das Justizministerium.

Wir wollen damit verhindern, daß sich die Bundesbehörde zu einem Art Heiligen Officium entwickelt, das in letzter Instanz über Gut und Böse im Bereich des Politischen entscheidet.

Das wird ganz deutlich angesichts der verschiedenen öffentlichen Auftritte von Herrn Gauck.

So desavouiert er in einem Interview mit dem Tagesspiegel vom 20.10.1996 geradezu unser heutiges Anliegen, über das Problem der Eingliederung und des Rechtsfriedens zu beraten. Wörtlich spricht er dort vom Gerede »mancher« Politiker »von der Gefahr für den inneren Frieden«. Während schon die hebräische Bibel uns ans Herz legt, wir mögen unsere Herzen gegenüber Feinden nicht verhärten, polemisiert der Bundesbeauftragte und Theologe Joachim Gauck gegen das umgehende »Gnadenfieber«. Er attackiert die Ostpolitik der siebziger und achtziger Jahre und bringt deren »linksliberale« Repräsentanten in Verbindung mit den von ihm ausgemachten angeblichen 20 000 bis 30 000 einstigen IM's in der alten Bundesrepublik.

Ich meine, gerade auch der Deutsche Bundestag hat die Verantwortung, zu verhindern, daß sich der Bundesbeauftragte zum McCarthy der Bundesrepublik entwickelt.

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