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Datum : 31.05.1995
Nr.   : 331
Thema : Stasi / Gauck


Erklärung von Prof. Dr. Christa Luft

Prof. Dr. Christa Luft, stellvertretende Vorsitzende der PDS im Bundestag, erklärt zu einer Auskunft der Gauck-Behörde gegenüber der Bundestagspräsidentin:

Sowohl in den Gremien meiner Partei als auch in der Abgeordnetengruppe der PDS habe ich vor und nach der Wahl darüber informiert, daß ich als Wissenschaftlerin in der DDR und insbesondere in meinen Leitungsfunktionen auch offiziellen Kontakt zu Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit hatte. Gleichzeitig verwies ich darauf, zu keinem Zeitpunkt Personen denunziert zu haben. Eine Verpflichtung zu einer inoffiziellen Zusammenarbeit mit der Staatssicherheit war ich nach meinem Wissen zu keinem Zeitpunkt eingegangen.

Aus der mir übergebenen Auskunft einschließlich Anlagen ergeben sich vier Zusammenhänge, wobei ich mich nur in einem Falle korrigieren muß.

1. Im Jahre 1963 trat ein Vertreter der Staatssicherheit mit der Begründung an mich heran, daß sich ein Agent eines »feindlichen Geheimdienstes« sehr um Informationen über die Hochschule für Ökonomie bemühe. Obwohl ich mich daran wirklich nicht mehr erinnern konnte, habe ich in diesem Zusammenhang eine Verschwiegenheitserklärung und eine Verpflichtungserklärung unterschrieben. Für mich war es 1963 normal und entsprach meiner damaligen Überzeugung, einen Beitrag zur Abwehr von Spionage zu leisten, wenn diese Gefahr bestand. Nach der Strafprozeßordnung und dem Strafgesetzbuch der DDR war ich dazu auch verpflichtet, hätte mich sogar strafbar gemacht, wenn ich Kenntnisse darüber verschwiegen hätte. Allerdings ist die Sache nach kurzer Zeit im Sande verlaufen. Mir wurde irgendwann mitgeteilt, daß der Verdacht sich erledigt hätte. Aus den nunmehr bekannt gewordenen Unterlagen ergibt sich jedoch, daß die ganze Angelegenheit fingiert war. Es gab nie einen Spionageverdacht gegen die betreffende Person. In Wirklichkeit handelte es sich bei ihr um einen Mitarbeiter der Staatssicherheit. Die Gauck-Behörde teilte mit, daß die ganze Angelegenheit nur dem Zwecke diente, zu überprüfen, ob ich möglicherweise in der BRD einsetzbar gewesen wäre. Wörtlich heißt es in der Auskunft: »Das Werbungsziel war Frau Prof. Dr. Luft nicht bekannt.« Aus den Unterlagen ergibt sich, daß ich unregelmäßig erschien und Desinteresse bekundete, so daß dieses Ziel aufgegeben wurde. In einer Information der Staatssicherheit vom 10.6.65 wird dazu ausgeführt, daß ich mich nur »wenig an die ausgemachten Vereinbarungen gehalten« hätte. Deshalb würde davon abgesehen werden, mich »in der bisher festgelegten Richtung« »einzusetzen«.

2. Nach dieser von mir immer als polizeiliche Maßnahme verstandenen Episode liegen Informationen dergestalt vor, daß meine Anschrift als sogenannte Deckadresse für postalische Sendungen aus der BRD genutzt werden sollte. Daran habe ich keinerlei Erinnerung. Tatsächlich gibt es auch nicht einen einzigen Beleg dafür, daß meine Adresse in diesem Sinne tatsächlich benutzt wurde.

3. Anschließend findet sich in den Unterlagen eine operative Personenkontrolle gegen mich, die 1977 begann. Die Begründung lautet: »L. gehört zu einem Personenkreis, der im Verdacht steht, ökonomische Geheimnisse an die BRD zu verraten.« In diesem Zusammenhang fanden zahlreiche Kontrollmaßnahmen statt. U.a. war sogar geplant, meine Wohnung konspirativ zu durchsuchen. Ob dies tatsächlich geschehen ist, kann ich nicht sagen. Der Verdacht ist offensichtlich nie vollständig ausgeräumt worden. Dennoch erkläre ich hiermit eindeutig, daß ich mich zu keinem Zeitpunkt im Sinne dieses Verdachts betätigt habe. Insbesondere der Bundesnachrichtendienst müßte dies bestätigen können.

4. Der letzte Abschnitt beginnt 1979. Zum damaligen Zeitpunkt war ich an einem Institut des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe in Moskau tätig. Dort arbeitete auch ein sogenannter Sicherheitsbeauftragter. Dieser führte mit den Angehörigen des Instituts, also auch mit mir, mehrere Gespräche. Mir war nicht bekannt, daß man deshalb als »IM« geführt wird. Dennoch sind seine Einschätzungen aufschlußreich. So heißt es z.B. 1979, daß ich eine »gewisse Distanz« spüren ließ und »nicht gerne über Personen« sprach. Daran hat sich dann offensichtlich nichts mehr geändert. Auch in einer Einschätzung aus dem Jahre 1980 heißt es, daß ich keinerlei Aktivitäten zur Durchführung von Treffen entfalte, »nicht gerne über Personen« spreche und mich überwiegend darauf konzentriere, Probleme der ökonomischen Entwicklung in der DDR und in den anderen Ländern Osteuropas darzustellen.

Darüber hinaus befinden sich noch offizielle Reiseberichte und Einschätzungen von mir in der Akte, die ich im Original an die Vertretung der DDR beim Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe richtete. Diese Berichte sind mit meinem Klarnamen unterzeichnet. Ich habe damals nicht gewußt, daß Kopien davon offensichtlich an die Staatssicherheit gingen. Allerdings hätte ich dagegen auch nichts einzuwenden gehabt, weil ich durchaus dafür war, daß auch die Staatssicherheit erfuhr, wie prekär die ökonomische Situation in der DDR und in anderen osteuropäischen Ländern war.

Abgesehen von der einen oben dargestellten Ausnahme, daß ich mich an die Unterzeichnung der Erklärungen im Jahre 1963 wirklich nicht mehr erinnern konnte, habe ich also dem, was ich bisher zu meinen Kontakten zur Staatssicherheit erklärt habe, nichts hinzuzufügen. Mich macht jedoch stutzig, daß bei der Überprüfung in der Volkskammer keinerlei Feststellungen getroffen werden konnten und auch die Gauck-Behörde trotz eines von mir gestellten Antrages im März 1994 bis zum September 1994 nicht in der Lage gewesen sein soll, diese Unterlagen aufzufinden. Man bescheinigte mir damals, daß es keine Unterlagen gäbe, was mich wunderte. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, daß man diese Unterlagen sehr wohl gefunden hatte, aber glaubte, daß man zu einem späteren Zeitpunkt mehr Wirkung damit erzielen könnte.

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